Sonntag, April 22, 2007

das landleben

Das Landleben ist, wie ich gestern erfahren konnte aus meiner Sicht auch nicht das, was man dahinter vermutet. Ich war gestern zufällig in einer Neubausiedlung auf dem Land und habe mich ganz seltsam gefühlt in einer cleanen Welt, die künstlicher ist als manches Stadtviertel. Die Häuser picobello, riesig, modern, weiß gestrichen oder blau vertäfelt oder gelb, das ein oder andere sicher mit hohem ökologischem Standard erbaut. Die Straßen sauber, wie geleckt, großzügig, mit versiegelten Flächen und kontrolliertem Abfluss. Die Gärten wie aus dem Katalog, allerdings aus dem Katalog der Steinhändler. Erschreckend wie wenig Grün es dort gibt. Und trotz erfreulicher Aussicht über ein grünes Tal scheint auch in diesem Bild die Natur geordnet. Direkt an die Gärten grenzen die Felder, auf denen Getreide wächst, ohne jedes Unkraut oder der Raps blüht, ebenso. Zwei Meter vom Zaun - den braucht jedes Haus! - beginnt die "Kulturlandschaft". In den Gärten außer Steinen nur gezähmte, fast gezwungene Natur. Saftig grüner Rasen ohne jedes Unkräutchen, Beete mit Pflanzen, zwischen denen die fette braune, frisch geharkte Erde herausschaut. Der Blick in die ordentlichen, frisch gestrichenen Gartenhäuschen würde wahrscheinlich eine Batterie von Unkrautvernichtungsmitteln offenbaren. Was nicht als Abdrift von den nahegelegenen Feldern in den Garten gelangt, das wird selbst ausgebracht. Mit "Garten" haben diese sterilen Hausumsäumungen nichts zu tun. Den Gedanken an ein Leben auf dem Land, habe ich bis auf Weiteres verworfen, mir ist dort ehrlich gesagt zu wenig Natur. Hier mitten in der Stadt, wo ich zwei Minuten in den nächsten naturbelassenen, von Wildkräutern in trotzdem schönen und gepflegten Anlagen strotzenden Park habe, wo ich in fünf Minuten im Wald und in 10 Minuten im Naturschutzgebiet bin - zu Fuß - da finde ich eine höhere Artenvielfalt vor, als auf dem Land, in den cleanen Gärten, umgeben von den sauberen Feldern. Gerade diese Woche habe ich auf einem Grab auf dem alten, verwilderten Friedhof um die Ecke die Zwiebeltragende Zahnwurz gefunden, Dentaria bulbifera - da könnte ich auf dem Land aber lange suchen.
Ja, ich weiß, es ist nicht überall so, aber immer mehr ist es so. Und das, was wir als Kulturlandschaft bezeichnen, überdüngte Weiden für die Fleischproduktion, hochproduktive Ackerflächen, etc., hat mit Natur schon lange nichts mehr zu tun. Ebenso, wie Gärten mit 10 oder 20 Pflanzenarten nichts und null mit Natur zu tun haben.

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